Planvolles Training – Was bedeutet das eigentlich?
Als Hundetrainerin ist es mir besonders wichtig, nicht einfach „irgendwie“ ins Training zu starten. Gutes Hundetraining sollte planvoll (abgestimmt auf den Hund, den Menschen und ihre individuelle Situation) gestaltet werden, vor allem, wenn wir es mit Problemverhalten zu tun haben. Doch was heißt das genau?
Bevor ich mit Mensch und Hund arbeite, steht die Aufklärung im Mittelpunkt. Wer versteht, warum und wie ein bestimmtes Verhalten entsteht und wie Lernen beim Hund funktioniert, kann Training viel bewusster und nachhaltiger gestalten. Dabei geht es um grundlegende Themen wie Genetik, Lerntheorie, Rassedispositionen, Charaktereigenschaften und natürlich darum, warum ich als Trainerin gewisse Methoden wähle. Nur wenn dieses Verständnis da ist, kann eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe stattfinden – sowohl zwischen Mensch und Hund als auch zwischen Trainer:in und Halter:in.
Zwar arbeite ich nach einem bewährten Trainingsschema, doch jeder Hund und jeder Mensch bringt eigene Voraussetzungen mit. Trainingsstand, Lebensumfeld, Beziehung, Bedürfnisse und Ziele unterscheiden sich von Fall zu Fall. Deshalb braucht es zwar eine klare Struktur – aber keine starren Abläufe. Ein Beispiel: Ein Hund soll lernen, an lockerer Leine zu laufen. Daher stellt sich zunächst die Frage: Hat der Hund überhaupt verstanden, was von ihm erwartet wird? Hatte er je eine echte Chance, das gewünschte Verhalten im Aufbau zu lernen, sich am Menschen zu orientieren? Wenn dies vorab mit dem Hund in verschiedenen Kontexten besprochen wurde, und der Hund dazu in der Lage ist, das Verhalten zu zeigen, können wir hingehen, und den Hund das unerwünschte Verhalten (an der Leine ziehen) durch eine Strafe verbieten. Daher stellen wir uns die Frage: möchte ich ein neues Verhalten aufbauen oder möchte ich ein bestimmtes Verhalten verbieten? So unterschiedlich ist dann der Trainingsansatz.
Regeln, Konsequenz und Klarheit 🫶
Bevor ich aber gezielt an Themen wie Leinenführigkeit arbeite, werfe ich gerne einen genauen Blick auf die Beziehungsstruktur zwischen Mensch und Hund. Akzeptiert der Hund vom Menschen aufgestellte Regeln? Und ist der Mensch überhaupt in der Lage, diese konsequent und konsistent zu vermitteln? Oft zeigt sich schon im Alltag, ob hier Unklarheit herrscht: Ein Couchverbot, das mal gilt und mal nicht, ist für den Hund schlicht unverständlich. Oder der Hund wird auf einen festen Platz geschickt (weil er irgendwie grade mal nervt), legt sich dann aber irgendwo anders hin – und das wird kommentarlos hingenommen, weil es ja okay ist, dass der Hund erstmal Ruhe gibt. Solche Situationen lassen beim Hund den Eindruck entstehen, dass Regeln verhandelbar sind und der Mensch nicht in der Lage ist, diese konsequent durchzusetzen. Klare Kommunikation und einheitliches Verhalten sind daher essenziell.
Wer bewegt eigentlich wen?
Oft sind es tatsächlich die Hunde, die den Menschen bewegen – nicht umgekehrt. Ein Blick, ein Pföteln, ein Spielansatz, etwas Demut, und schon schenken wir die gewünschte Aufmerksamkeit. So lernt der Hund schnell, mit bestimmten Strategien seine Menschen zu „bewegen“. Vielleicht sollten wir einfach mal mehr die Aufmerksamkeit auf uns und unsere Bedürfnisse lenken und den Hund nicht immer im Mittelpunkt stehen lassen. Das bedeutet nicht, dass man seinen Hund ignorieren soll. Es geht vielmehr darum, bewusst auch mal seine eigene Prioritäten in den Vordergrund zu stellen. Aufmerksamkeit sollte nicht immer und bei jeder Kleinigkeit vergeben werden, sondern bewusst. Ich muss mich nicht für meinen Hund interessant machen, sondern relevant. Das stärkt die Führungsrolle des Menschen – nicht durch Kontrolle, sondern durch Klarheit.
Management vs Training – ein oft unterschätzter Unterschied
Im Alltag gibt es Situationen, in denen konsequentes Training schlichtweg nicht möglich ist. Wer in einem wichtigen Meeting mit dem Chef sitzt, kann nicht gleichzeitig aufpassen, ob der Hund auf die Couch springt, bzw. das Verbot durchsetzen. Vielleicht ist das Taining dahingehend noch nicht abgeschlossen. In solchen Momenten kommt Management ins Spiel: Ich verhindere, dass unerwünschtes Verhalten überhaupt auftritt – etwa indem ich den Hund einfach anleine oder einen Raum begrenze. Das ist keine Schwäche, sondern kluge Planung. Wichtig ist dabei: Management ist kein Ersatz für Training – aber es sichert Trainingsfortschritte und schützt die Beziehung. Oft kann ich nicht immer alle Regeln durchsetzen. Entweder weil ich es nicht kann, oder der Hund einfach noch nicht so weit ist. Aber wenn, dann müssen diese Regeln immer gelten. Daher ist Management ein wichtiger Bestandteil im Hundetraining.
Verhalten entsteht immer im Kontext. Daher ist das Kontextspezifische Lernen ebenfalls ein wichtiger Bestandteil. Ein Hund, der im Training schön an der Leine läuft, kann das unter Ablenkung und unter gewissen Schwierigkeitsstufen evtl. noch nicht automatisch umsetzen. Deswegen arbeite ich mit klaren Rahmenbedingungen und dadurch feste Regeln und Verbote in einem abgestimmten Kontext. Für den Freizeitmodus kann bspw. die Leine am Geschirr befestigt sein. Hier ist es schlichtweg erstmal egal, wenn der Hund zieht. In Trainingssituationen kommt das Halsband oder eine spezielle Leine ins Spiel – und damit klare Regeln, die ich als Mensch immer durchsetzen werde. Das Ziel ist anfangs nicht, überall eine perfekte Leinenführigkeit zu erwarten, sondern sie in passenden und verschiedenen Kontexten zunächst systematisch aufzubauen und zu generalisieren – fair für Mensch und Hund.
Selbstwirksamkeit des Hundes
Ein weiterer zentraler Bestandteil meiner Arbeit ist es, die Selbstwirksamkeit des Hundes zu fördern. Ein Hund ist dann selbstwirksam, wenn er versteht, welches Verhalten zum Erfolg führt – und wie er ggf. einer Strafe entgehen kann. So lernt er nicht nur, Regeln zu befolgen, sondern auch, sie aktiv anzuwenden. Vor einer Korrektur steht bei mir immer die Information: Der Hund weiß durch vorangegangenes Training, welches Verhalten richtig wäre – und kann sich dann bewusst entscheiden. Strafe bedeutet bei mir niemals Willkür. Sie ist eine Folge, nicht eine Reaktion aus dem Affekt. Wenn ein Hund weiß, dass er durch Orientierung ein unerwünschtes Verhalten vermeiden kann, erlebt er Korrekturen nicht als bedrohlich und unfair. Das stärkt nicht nur die Fairness im Training, sondern auch das Vertrauen zwischen Mensch und Hund.
Für mich bedeutet planvolles Training, Verantwortung zu übernehmen. Ich plane nicht nur, was ich trainiere – sondern wann, wie und wo. Ich nehme Rücksicht auf das Lernvermögen des Hundes, auf die Lebensrealität des Menschen und auf das Zusammenspiel beider. Ich unterscheide Training und Management, arbeite an der Beziehungsqualität, schule die Selbstwirksamkeit des Hundes und helfe den Menschen das eigene Verhalten zu reflektieren.
Denn nur wer als Mensch klar in seinen Entscheidungen ist, kann auch ein klarer Anker für seinen Hund sein. Planvolles Training ist keine Methode – es ist eine Haltung.